Unterrichtungsschreiben für eine zu Recht unterbliebene Anpassung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 11.10.2011 (3 AZR 732/09) entschieden, dass die Fiktion einer zu Recht unterbliebenen Anpassung der Betriebsrente nach § 16 Absatz 4 Satz 2 BetrAVG nur eintreten könne, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger in nachvollziehbarer Weise schriftlich dargelegt hat, aus welchen Gründen davon auszugehen ist, dass das Unternehmen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die Anpassungsleistungen aufzubringen. Die Darlegungen des Arbeitgebers müssen so detailliert sein, dass der Versorgungsempfänger in der Lage ist, die Entscheidung des Arbeitgebers auf ihre Plausibilität zu überprüfen.


Sachverhalt

Im vorliegenden Fall stritten die Parteien über die Verpflichtung der Beklagten zur Anpassung einer Betriebsrente. Der Kläger war langjährig bei der Beklagten beschäftigt und bezieht seit dem 01.02.2002 eine Betriebsrente auf der Grundlage einer Versorgungsordnung. Diese Rente wurde zuletzt zum 01.01.2003 erhöht. Die Beklagte nahm gebündelt zum 01.07.2006 eine Anpassungsprüfung aller Betriebsrenten vor und teilte am 07.07.2006 sämtlichen Betriebsrentnern schriftlich mit, dass eine Anpassung aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens zu diesem Zeitpunkt nicht in Betracht komme. Darin verwies sie darauf, dass der durchschnittliche Jahresüberschuss im Konzern für die Jahre 2003, 2004 und 2005 bezogen auf das Eigenkapital lediglich 4,53 % betragen habe und damit unterhalb einer angemessenen Eigenkapitalrendite, die der Umlaufrendite der Anleihen der öffentlichen Hand mit einem zweiprozentigen Risikoaufschlag entspricht, liege. Weiterhin sei davon auszugehen, dass auch in den kommenden drei Jahren keine wesentlich besseren Ergebnisse erzielt würden. Die Beklagte wies weiter auf die Widerspruchsfrist von drei Monaten gemäß § 16 Absatz 4 BetrAVG hin. Dieser Entscheidung widersprach der Kläger erst mit Schreiben vom 19.10.2007 und verlangte eine Anpassung seiner Betriebsrente zum 01.01.2006, hilfsweise zum 01.07.2006.

Entscheidung

Das BAG hat entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Anpassung gemäß § 16 Absatz 1 BetrAVG zum 01.07.2006 hat. Dieser späte Anpassungszeitpunkt sei zulässig, da eine Bündelung aller im Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin zulässig ist, soweit zwischen der letzten Anhebung und der erstmalig gebündelten Anpassung nicht mehr als dreieinhalb Jahren liegen. Der Kläger durfte der unterbliebenen Anpassung auch noch nach Ablauf von drei Monaten widersprechen, da das Unterrichtungsschreiben den gesetzlichen Anforderungen nicht genügte. Die Fiktion der zu Recht unterbliebenen Anpassung gemäß § 16 Absatz 4 Satz 2 BetrAVG trete nur ein, wenn sich der schriftlichen Information des Arbeitgebers entnehmen lasse, auf Grund welcher Umstände davon auszugehen sei, dass das Unternehmen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die Anpassungen zu leisten. Die Darstellung der wirtschaftlichen Lage im Unterrichtungsschreiben des Arbeitgebers müsse so detailliert sein, dass der Versorgungsempfänger allein durch diese Unterrichtung in die Lage versetzt wird, die Entscheidung des Arbeitgebers auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Das BAG hält es hierbei nicht für notwendig, dass dem Versorgungsempfänger die Bilanz insgesamt oder darüber hinausgehende Erläuterungen derselben zur Verfügung gestellt werden. Der Arbeitgeber müsse jedoch die sich aus den Bilanzen der letzten drei Jahre ergebenden Daten zum Eigenkapital und zur Berechnung der Eigenkapitalverzinsung für jedes einzelne Jahr angeben und zur voraussichtlichen Entwicklung Stellung nehmen.

Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber diese Anforderungen nicht erfüllt. Dem Schreiben der Beklagten sei nicht zu entnehmen, auf welcher Datengrundlage sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Eigenkapitalrendite 4,53 % beträgt. Sie habe ebenso wenig mitgeteilt, weshalb sie davon ausging, auch in den folgenden Jahren keine ausreichende Eigenkapitalrendite erwirtschaften zu können. Auf dieser Grundlage war es dem Kläger nicht möglich, die Entscheidung auf Plausibilität zu prüfen und nachzuvollziehen.

Bewertung

Das vorliegende Urteil hat für die Praxis bedeutende Auswirkungen, da es konkrete Anforderungen an den Inhalt des Unterrichtungsschreibens formuliert. Erforderlich sind demnach aussagekräftige und für den Versorgungsempfänger nachvollziehbare Angaben zur wirtschaftlichen Lage unter Aufschlüsselung der Datengrundlagen für jedes einzelne zur Bewertung herangezogene Jahr (d. h. mindestens das jeweilige durchschnittliche Eigenkapital und dessen Verzinsung auf Basis der handelsrechtlichen Jahresabschlüsse) ebenso wie eine Stellungnahme zur voraussichtlichen Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung. Pauschale Angaben reichen nicht aus. Daneben entwickelt das BAG seine Rechtsprechung zur Bündelung des Prüfungsstichtages weiter.

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