EU-Mobilitätsrichtlinie tritt in Kraft –
zu erwartende Neuregelungen und aktuelle Handlungsmöglichkeiten
Seit 2005 gibt es in der Europäischen Union Bestrebungen, die Mobilität der Arbeitnehmer zu fördern und hierzu Hemmnisse bei den Zusatzrentensystemen abzubauen. Das Europäische Parlament hat nun am 16.04.2014 die entsprechende Richtlinie 2014/50/EU (Mobilitätsrichtlinie) angenommen. Diese Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, bestimmte Regelungen im Hinblick auf Zusatzrentensysteme zu treffen. In Deutschland ist hiervon die betriebliche Altersversorgung betroffen und der nationale Gesetzgeber wird das Betriebsrentengesetz zur Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie ändern müssen. Hierfür hat er bis zum 21.05.2018 Zeit. Für Arbeitgeber bieten sich jedoch kurzfristig noch Handlungsmöglichkeiten, um die Auswirkungen der Mobilitätsrichtlinie auf seine Versorgungssysteme zu begrenzen.
1. Wesentlicher Regelungsinhalt der Mobilitätsrichtlinie
Die Richtlinie sieht vor, dass die Unverfallbarkeitsfrist höchstens drei Jahre betragen und das Mindestalter für den Erwerb von Anwartschaften 21 Jahre nicht übersteigen darf. Des Weiteren haben die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Wahrung ruhender Rentenanwartschaften zu treffen. Unter ruhenden Anwartschaften sind die unverfallbaren Anwartschaften ausgeschiedener Mitarbeiter zu verstehen. Diese müssen sich wertmäßig so weiterentwickeln wie die Ansprüche von aktiven Mitarbeitern, wie die laufenden Renten oder in einer anderen als gerecht zu betrachtenden Weise. Beispielhaft nennt die Richtlinie hier den Erhalt des nominalen Werts bei statischen Zusagen, eine im System vorgesehene Verzinsung oder erzielte Kapitalrendite sowie die Anpassung nach Maßgabe einer vom Gesetzgeber oder den Tarifpartnern festzulegenden Höchstgrenze. Im Ergebnis bedeutet dies, dass unverfallbare Anwartschaften künftig zu dynamisieren sind, wenn auch für Anwartschaften aktiver Versorgungsanwärter eine Dynamik vorgesehen ist. Als weiteren Punkt zur Wahrung ruhender Anwartschaften bestimmt die Richtlinie ein Verbot einseitiger Abfindungen. Zudem sieht die Richtlinie vor, dass auf Verlangen von aktiven oder ausgeschiedenen Versorgungsanwärtern bestimmte Auskünfte zu erteilen sind.
2. Anwendungsbereich der Mobilitätsrichtlinie
Die Mobilitätsrichtlinie beschränkt sich explizit auf die Regelung grenzüberschreitender Arbeitgeberwechsel. Sie gilt nicht für Versorgungssysteme, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie am 20.05.2014 bereits geschlossen sind. Berührt werden grundsätzlich nur Beschäftigungszeiten, die in den Zeitraum nach Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht fallen.
3. Auswirkungen auf betriebliche Versorgungssysteme
Eine Beschränkung der Regelungen nur auf grenzüberschreitende Fälle würde neben praktischen Umsetzungsproblemen auch eine Schlechterstellung inländischer Arbeitgeberwechsel bedeuten. Es ist daher fest damit zu rechnen, dass es zumindest nach Ablauf der Umsetzungsfrist zu einer einheitlichen Anwendung der Neuregelungen bei grenzüberschreitenden und innerstaatlichen Arbeitgeberwechseln kommen wird. Eine einheitliche Umsetzung hat das zuständige BMAS bereits angekündigt. Danach will das BMAS im Herbst einen ersten Entwurf zur Änderung des Betriebsrentengesetzes vorlegen, wobei die vierjährige Umsetzungsfrist der Richtlinie voll ausgeschöpft werden soll.
3.1 Unverfallbarkeit, Abfindung und Auskunft
Voraussichtlich ab Mai 2018 wird die in Deutschland geltende Unverfallbarkeitsfrist von fünf auf drei Jahre verkürzt und das Mindestalter zur Erfüllung der Unverfallbarkeitsvoraussetzungen von 25 auf 21 Jahre abgesenkt werden. Zudem wird die einseitige Abfindungsmöglichkeit des Arbeitgebers für Kleinstanwartschaften und Kleinstrenten entfallen oder zumindest stark eingeschränkt werden. Hinsichtlich der Auskunftspflichten dürften sich auch leichte Veränderungen im Betriebsrentengesetz ergeben.
3.2 Dynamisierung von unverfallbaren Anwartschaften
Völlig offen ist, wie der Gesetzgeber die Vorgaben der Richtlinie im Hinblick auf die kostenintensive Dynamisierung von unverfallbaren Anwartschaften regeln wird. Bislang ist in § 2 Absatz 5 Betriebsrentengesetz festgelegt, dass dynamische Anwartschaften mit dem Ausscheiden eingefroren werden.
Betroffen von der Richtlinie sind solche Versorgungssysteme, bei denen die Versorgungsleistungen der aktiven Anwärter an dynamische Bemessungsgrundlagen gekoppelt sind. Dies sind beispielsweise endgehaltsabhängige Leistungszusagen sowie Versorgungszusagen, die sich entsprechend der Inflationsrate (Verbraucherpreisindex), einem Tarif- oder Beamtengehalt oder vergleichbaren dynamischen Bemessungsgrundlagen entwickeln.
Nicht betroffen von der Verpflichtung zur Dynamisierung sind beitragsorientierte Leistungszusagen, also beispielsweise Rentenbausteinsysteme, statische Regelungen mit Festbeträgen oder sogenannte Euro-Staffeln sowie Beitragszusagen mit Mindestleistung.
4. Aktuelle und künftige Handlungsmöglichkeiten
Will ein Arbeitgeber die Anpassung von unverfallbaren Anwartschaften ausgeschiedener Anwärter vermeiden, sollte er beachten, dass die Richtlinie keine Anwendung auf Zusatzrentensysteme findet, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie keine neuen aktiven Versorgungsanwärter mehr aufnehmen und ihnen verschlossen bleiben. Schließt der Arbeitgeber ein Versorgungssystem für Neueintritte bis zum 19.05.2014, kann er damit erreichen, dass auf die im betroffenen Versorgungssystem bestehenden Anwartschaften die Bestimmungen der Mobilitätsrichtlinie nicht anzuwenden sind. Zu denken ist dabei nicht nur an Versorgungssysteme auf kollektivrechtlicher Grundlage, auch auf individualrechtlicher Grundlage bestehende Versorgungssysteme können betroffen sein.
Die Schließung von Versorgungssystemen ist jedoch nicht die einzige Handlungsmöglichkeit für den Arbeitgeber. Da nur Beschäftigungszeiten nach der Umsetzung in nationales Recht betroffen sind, kann auch die Zeit bis 2018 genutzt werden, um beispielsweise eine Umstellung des Versorgungssystems auf eine beitragsorientierte Leistungszusage vorzunehmen.
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