Auslegung einer Versorgungsordnung bezüglich der Altersgrenze

Das BAG hat mit Urteil vom 13.01.2015 (3 AZR 894/12) über die Auslegung einer Versorgungsordnung entschieden, die als Altersgrenze für den Bezug der Betriebsrente die Vollendung des 63. bzw. des 60. Lebensjahres für Frauen vorsah. Dabei kommt das BAG zu dem Ergebnis, dass es sich im entschiedenen Fall lediglich um eine flexible und keine feste Altersgrenze handelt, da nach der Versorgungsordnung eine Gesamtversorgung unter Anrechnung der gesetzlichen Rente zugesagt war. Ein Bezug der Altersrente ist damit erst möglich, wenn gleichzeitig eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen wird.

Sachverhalt

Die im Jahre 1959 geborene Klägerin war seit dem 01.01.1991 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte sagte ihren Angestellten eine betriebliche Altersversorgung nach den erstmals zum 01.07.1959 erstellten und zuletzt am 05.11.1991 geänderten Richtlinien der „Alters- und Hinterbliebenenversorgung für die Angestellten der Ärztekammer Nordrhein“ (AHV 1991) zu. Die AHV 1991 sehen vor, dass Versorgungsbezüge nur gewährt werden, wenn der Angestellte fünf Jahre in den Diensten der Beklagten gestanden hat (Wartezeit) und nach Vollendung des 63. Lebensjahres, bei weiblichen Mitarbeitern nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden ist. Ferner ist in den AHV 1991 bestimmt, dass die Versorgungsleistung (bis zu 75 % der versorgungsfähigen Dienstbezüge) um die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gekürzt wird, es handelt sich also um eine Gesamtversorgungszusage. Im November 2010 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern mit, dass Personen ab Geburtsjahrgang 1952 aufgrund der geänderten Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung die Betriebsrente frühestens dann abrufen können, wenn sie den Bezug der gesetzlichen Rente nachweisen können, d. h. in der Regel frühestens mit Vollendung des 63. Lebensjahres. Hiergegen wendet sich die Klägerin. Sie war der Auffassung, dass ihr die Betriebsrente nach ihrem Ausscheiden bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres ohne gleichzeitigen Bezug der gesetzlichen Rente zu gewähren sei.

Entscheidung

Die Vorinstanzen hatten der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hiergegen hatte jedoch Erfolg. Nach Ansicht des BAG stehen der Klägerin Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den AHV 1991 erst ab dem Zeitpunkt zu, zu dem sie die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nimmt. Dies ergibt die Auslegung der AHV 1991 nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen maßgebenden Grundsätzen.

Zunächst hat das BAG festgestellt, dass die AHV in der Fassung von 1991 Anwendung finden. Die Beklagte hat die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den AHV im Wege einer Gesamtzusage zugesagt. Nach Ansicht des BAG wolle ein Arbeitgeber, der Leistungen in Form der Gesamtzusage verspricht, diese Leistungen nach einem einheitlichen System erbringen, das nicht erstarren darf. Daher ist davon auszugehen, dass im Regelfall nur eine Versorgung nach den beim Arbeitgeber jeweils geltenden Versorgungsregeln zugesagt ist.

Entgegen dem zunächst klar erscheinendem Wortlaut der Bestimmung der Altersgrenze kommt das BAG zu dem Ergebnis, dass diese Regelung nicht eindeutig sei. Es bliebe unklar, ob neben dem Erreichen der Altersgrenze noch weitere Erfordernisse erfüllt sein müssen. Aus dem Regelungszusammenhang folge, dass ein Anspruch erst bestehe, wenn der Mitarbeiter auch die gesetzliche Rente in Anspruch nehmen könne. Die Festlegung der Altersgrenze mit 63 bzw. 60 lasse erkennen, dass die Bestimmung an den Zeitpunkt anknüpfen wolle, ab dem gesetzliche Rente vorzeitig bezogen werden könne. Daher könne die Klägerin Leistungen erst verlangen, wenn Sie auch ihre Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehe. Entgegen der Ansicht der Klägerin liege auch eine Gesamtversorgung vor. Dafür reiche es aus, wenn die Versorgungszusage hinreichend erkennen lasse, dass zusammen mit anderen Versorgungsleistungen ein bestimmtes Versorgungsniveau zugesagt werden soll.

Bewertung

Die Entscheidung des BAG ist für den vorliegenden Fall sachgerecht. Sie gewährleistet, dass bei einer Gesamtversorgungszusage die Betriebsrente nur im Gleichlauf mit der gesetzlichen Rente gezahlt werden muss. Der entschiedene Fall betrifft damit ausdrücklich die Besonderheit einer Gesamtversorgungszusage, bei der ein klarer Bezug zur gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Auf andere Versorgungszusagen ist das Urteil aus unserer Sicht nicht ohne weiteres übertragbar.

Darüber hinaus hat das BAG entschieden, dass Zusagen in Form der Gesamtzusage in der Regel dynamisch sind. Für die Praxis bedeutet dies, dass Gesamtzusagen, die zwischenzeitlich in zulässigem Umfang geändert worden sind, immer in ihrer aktuell bestehenden Form gelten.

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