Unwirksamkeit von Spätehenklausel in Versorgungszusagen

Das BAG hat mit Urteil vom 04.08.2015 (3 AZR 137/13) entschieden, dass eine Spätehenklausel, die einem Arbeitnehmer Hinterbliebenenversorgung für seinen Ehegatten nur für den Fall zusagt, dass die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen ist, den Arbeitnehmer unzulässig wegen des Alters benachteiligt.

Sachverhalt

Die Klägerin ist die Witwe eines Arbeitnehmers, der eine Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung einschließlich einer Hinterbliebenenversorgung erhalten hatte. Die Versorgungszusage enthielt eine sogenannte Spätehenklausel, wonach eine Witwenrente nur beansprucht werden kann, wenn die Ehe vor der Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen worden ist. Da diese Voraussetzung bei der Ehe der Klägerin mit dem Verstorbenen nicht erfüllt war, erhielt sie keine Leistung. Hiergegen erhob sie Klage. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, vor dem BAG hatte sie nun Erfolg.

Entscheidung

Nach Ansicht des BAG ist die Spätehenklausel gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der verstorbene Mitarbeiter werde dadurch wegen seines Alters unmittelbar benachteiligt. Eine Rechtfertigung gemäß § 10 S. 3 Nr. 4 AGG komme nicht in Betracht. Danach sind Unterscheidungen aufgrund des Alters bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Diese Vorschrift gilt nach dem Wortlaut jedoch nur für die Alters- und Invaliditätsversorgung. Eine entsprechende Anwendung auf die Hinterbliebenenleistung komme aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung der Vorschrift im Sinne der zugrundeliegenden Richtlinie 2000/78/EG nicht in Betracht. Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung gemäß § 10 S. 1 und 2 AGG läge ebenfalls nicht vor, da die Altersgrenze nicht angemessen und erforderlich sei. Sie führe stattdessen zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitnehmers.

Bewertung

Die Entscheidung überzeugt nicht. Wenn eine Ungleichbehandlung gemäß § 10 S. 3 Nr. 4 AGG für die Alters- und Invalidenleistung möglich ist, sollte dies erst recht für die von der Altersleistung abgeleitete Hinterbliebenenleistung gelten. Der Arbeitgeber hat zudem ein berechtigtes Interesse daran, die mit einer Hinterbliebenenleistung zusätzlich verbundenen Risiken zu begrenzen und sogenannte Versorgungsehen auszuschließen. Da er frei darüber entscheiden kann, ob er eine Hinterbliebenenversorgung überhaupt zusagen will, sollten die Anforderungen an die Angemessenheit der Altersgrenze zur Begrenzung der Hinterbliebenenleistung nicht zu hoch angelegt werden, so dass eine Rechtfertigung der Diskriminierung gemäß § 10 S. 1 und 2 AGG vertretbar gewesen wäre. Das BAG hat jedoch das Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers höher bewertet, das unabhängig vom Alter zum Zeitpunkt der Eheschließung bestünde.

Für Arbeitgeber, die eine betriebliche Altersversorgung zusagen, wird es durch diese Entscheidung erschwert, bestimmte Risikobegrenzungen vorzunehmen. Die finanziellen Auswirkungen können im Einzelfall erheblich sein.

Hinweis

Das BAG bestätigt in der Entscheidung nochmals die beiden Urteile vom 15.10.2013, in denen es als zulässig erachtet hat, dass eine Versorgungszusage den Anspruch auf Witwen/Witwerversorgung davon abhängig macht, dass die Ehe vor Eintritt des Versorgungsfalls (3 AZR 294/11) oder vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis (3 AZR 653/11) geschlossen wurde. Offen gelassen hat das BAG die Frage, wie sogenannte Altersabstandsklauseln zu bewerten sind, bei denen die Hinterbliebenenrente bei Vorliegen einer bestimmten Altersdifferenz zwischen den Ehegatten gekürzt wird oder ausgeschlossen ist.

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