Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt hohe Anforderung an die Wahl der versicherungsförmigen Lösung bei Direktversicherungs- und Pensionskassenzusagen

Das BAG hat mit Urteil vom 19.05.2016 (3 AZR 794/14) entschieden, dass der Arbeitgeber die Wahl der versicherungsförmigen Lösung nur im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer konkret bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklären kann. Die Wahl der sog. versicherungsförmigen oder versicherungsvertraglichen Lösung ermöglicht es dem Arbeitgeber, die unverfallbare Anwartschaft des vorzeitig ausgeschiedenen Mitarbeiters auf die Versicherungsleistung zu begrenzen. Dadurch kann der Arbeitgeber verhindern, dass er für eine Deckungslücke zwischen dem quotierten Teilanspruch und der Versicherungsleistung einstehen muss.

Sachverhalt

Die Klägerin war vom 01.01.1978 bis zum 30.09.2008 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Dort bestand eine Versorgungsordnung auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung. Die Leistungen nach der Versorgungsordnung wurden teilweise über eine Direktversicherung finanziert. In der Versorgungsordnung ist für die unverfallbare Anwartschaft auf Invalidenleistung die versicherungsförmige Lösung festgelegt. Im Mai 2007 erhielt die Klägerin eine Mitteilung über die Höhe ihrer unverfallbaren Anwartschaft. Hierin enthalten war ein Hinweis darauf, dass u. a. hinsichtlich der Invalidenleistung die versicherungsförmige Lösung gelte. Zum 30.09.2008 schied die Klägerin mit gesetzlich unverfallbarer Anwartschaft aus. Am 01.08.2011 wurde sie berufsunfähig und verlangte von der Beklagten eine Rente, die über die Versicherungsleistung hinausging.

Entscheidung

Das BAG hat den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen, da auf Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht feststeht, ob seitens des Arbeitgebers das Verlangen zur Wahl der versicherungsförmigen Lösung rechtzeitig ausgeübt wurde.

Nach dem Wortlaut des § 2 Absatz 2 Satz 3 BetrAVG kann das Verlangen des Arbeitgebers nur innerhalb von drei Monaten seit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers diesem und dem Versicherer mitgeteilt werden. Das BAG stellt zwar klar, dass das Verlangen auch schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt werden kann. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehe. Dafür müsse zum Zeitpunkt des Verlangens bereits die konkrete Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht stehen. Das Gesetz habe den Zweck, dem Arbeitnehmer durch das Verlangen des Arbeitgebers Rechtssicherheit in der konkreten Situation zu verschaffen. Ein Verlangen nach der versicherungsförmigen Lösung ohne Bezug zu einer konkret bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfülle den Gesetzeszweck nicht.

Zudem erfordert die gebotene Rechtssicherheit auch Klarheit des Arbeitnehmers hinsichtlich der Versicherung. Deshalb muss der Arbeitnehmer bei Zugang des Verlangens des Arbeitgebers die erforderlichen Versicherungsdaten wie Versicherungsgesellschaft und Vertragsnummer erfahren können, ohne dass es Erkundigungen seinerseits bedarf.

Bei der Wahl der versicherungsförmigen Lösung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitgebers. Nicht ausreichend ist nach Auffassung des BAG die Festlegung der Wahl der versicherungsförmigen Lösung in einer Betriebsvereinbarung. Eine solche beinhalte Rechtsnormen und enthalte keine Willenserklärung gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer.

Bewertung

Die gängige Praxis vieler Arbeitgeber, die Wahl der versicherungsförmigen Lösung bereits bei Erteilung der Versorgungszusage zu erklären, ist nach der Entscheidung des BAG anzupassen. Die vom BAG aufgestellten Anforderungen sollten beachtet werden, um zu verhindern, dass die Wahl der versicherungsförmigen Lösung unwirksam ist. Mit der versicherungsförmigen Lösung kann der Arbeitgeber die Begrenzung der unverfallbaren Anwartschaft auf die Versicherungsleistung erreichen und verhindern, dass er den Teilanspruch der nach
§ 2 Absatz 1 BetrAVG bemessenen unverfallbaren Anwartschaft erbringen muss, der die vom Versicherer zu erbringende Versicherungsleistung übersteigt. Beträgt die bei Erreichen der festen Altersgrenze erreichbare monatliche Rente beispielsweise € 1.000 und ist der Arbeitnehmer nach der Hälfte der möglichen Dienstzeit ausgeschieden, so ergibt sich ein Teilanspruch nach § 2 Absatz 1 BetrAVG in Höhe von € 500. Beträgt die vom Versicherer nach dem Versicherungsvertrag zu erbringende Versicherungsleistung nur € 400, so ergibt sich eine Deckungslücke von € 100, für die der Arbeitgeber einzustehen hat. Die im Urteil des BAG aufgestellten Grundsätze gelten gemäß § 2 Absatz 3 Satz 2 BetrAVG für Zusagen im Durchführungsweg der Pensionskasse entsprechend.

Der Arbeitgeber muss daher innerhalb von drei Monaten nach dem Ausscheiden dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer und dem Versicherer die Wahl der versicherungsförmigen Lösung (erneut) mitteilen. Eventuell vorher im Rahmen der Erteilung der Versorgungszusage oder im Zusammenhang mit Anwartschaftsausweisen abgegebene Erklärungen genügen nicht, da regelmäßig der Zusammenhang mit einer konkreten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fehlt. Verspätet abgegebene Erklärungen sind gleichfalls unwirksam, da es sich bei der Drei-Monatsfrist um eine Ausschlussfrist handelt. Des Weiteren müssen – wie schon bisher – die drei sog. sozialen Auflagen nach § 2 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BetrAVG bis zu diesem Zeitpunkt erfüllt sein. Diese sind erfüllt, wenn erstens ein unwiderrufliches Bezugsrecht des Arbeitnehmers besteht und eine Abtretung oder Beleihung des Rechts aus dem Versicherungsvertrag durch den Arbeitgeber nicht vorliegt sowie keine Beitragsrückstände bestehen, zweitens die Überschussanteile von Beginn an nur zur Verbesserung der Versicherungsleistung verwendet werden und drittens der ausgeschiedene Arbeitnehmer das Recht hat, die Versicherung mit eigenen Beiträgen fortzusetzen. Zudem sind dem Arbeitnehmer nach der Entscheidung des BAG die erforderlichen Versicherungsdaten mitzuteilen.

Stuttgart, den 06.10.2016

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