Am Freitag, den 07.07.2017, hat das Betriebsrentenstärkungsgesetz im Bundesrat die letzte parlamentarische Hürde genommen. Es wird nun nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt zeitgleich mit dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie (http://www.kmkoll.de/artikel.aspx?ID=48) zum 01.01.2018 in Kraft treten. Aufgrund der vorgesehenen Änderungen handelt es sich um die weitreichendste Reform der betrieblichen Altersversorgung seit Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes.
Durch die im Koalitionsvertrag angekündigte Stärkung der betrieblichen Altersversorgung sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um die betriebliche Altersversorgung vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen zu verbreiten. Zudem soll die stärkere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung bei Arbeitnehmern mit niedrigem Einkommen erreicht werden.
Die Lösung sieht der Gesetzgeber im sogenannten Sozialpartnermodell. Hier soll die betriebliche Altersversorgung auf tarifvertraglicher Grundlage in den versicherungsförmigen Durchführungswegen (Pensionskasse, Pensionsfonds, Direktversicherung) durchgeführt werden. Daneben ist eine steuerliche Förderung in Form eines Zuschusses für Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen vorgesehen, die sich ebenfalls ausschließlich auf die versicherungsförmigen Durchführungswege beschränkt. Folgende Kernpunkte sind vorgesehen:
Es bleibt dabei, dass die klassische betriebliche Altersversorgung in den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse dagegen bedauerlicherweise keinerlei Verbesserung erfährt.
Die Neuerungen haben wir im Folgenden für Sie näher beleuchtet.
Das Sozialpartnermodell – die arbeitsrechtlichen Neuerungen
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz setzt bei den arbeitsrechtlichen Neuerungen in erster Linie auf die Sozialpartner (Tarifvertragsparteien). Hierzu wird ein neuer siebter Abschnitt in das Betriebsrentengesetz aufgenommen, der die betriebliche Altersversorgung auf tarifvertraglicher Ebene regelt. Die Kernelemente sind:
Reine Beitragszusage
Im Betriebsrentengesetz wird erstmals eine reine Beitragszusage eingeführt. Den Arbeitgeber soll über die reine Beitragszahlung hinaus keinerlei Verpflichtung oder Haftung in Bezug auf die spätere Leistungserfüllung mehr treffen. Die betriebliche Altersversorgung wird damit vom Arbeitsverhältnis entkoppelt. Eine solche Beitragszusage kann jedoch nur durch Tarifvertrag oder auf Grundlage eines Tarifvertrags erteilt werden. Die Sozialpartner müssen eine gemeinsame Einrichtung zur Einführung und Durchführung einer reinen Beitragszusage gründen. Alternativ können sie auch auf bestehende Pensionskassen, Pensionsfonds oder Versicherungen zurückgreifen. In diesem Fall müssen sie jedoch beispielsweise über den Aufsichtsrat oder sonstige Gremien der Versorgungseinrichtung Einfluss auf das Betriebsrentensystem nehmen und dieses mit steuern können.
Eine solche Zusage wird sofort unverfallbar, auch wenn sie durch den Arbeitgeber finanziert wird. Die sofortige Unverfallbarkeit beschränkt sich auf die Altersrentenanwartschaft. Eine Sicherung durch den Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) besteht nicht.
Nach dem Gesetzesentwurf dürfen bei einer reinen Beitragszusage keine Garantien ausgesprochen werden. Die Beiträge werden während der Anwartschaftsphase angespart und auf Basis des vorhandenen Kapitals wird bei Eintritt des Versorgungsfalls eine laufende Rente gewährt. Kapitalzahlungen sind nicht zulässig. Abfindungen von Kleinstanwartschaften und Kleinstrenten sind analog § 3 BetrAVG möglich. Da die Beiträge, die für den Mitarbeiter eingezahlt werden, nicht als Mindestleistung erhalten bleiben müssen, geht die neue Zusagegestaltung damit wesentlich weiter als die im Betriebsrentengesetz bereits vorgesehene Beitragszusage mit Mindestleistung. Aufgrund fehlender Garantien wird diese Variante auch als Zielrentenmodell bezeichnet. Für die Mitarbeiter bedeutet das Fehlen von Garantien, dass nicht nur während der Finanzierungsphase im aktiven Beschäftigungsverhältnis die Höhe des angesparten Versorgungskapitals schwanken kann, sondern auch während der Rentenbezugsphase. Die Rente kann demnach sinken. Die auf Basis des Versorgungskapitals des Mitarbeiters ermittelte Rente wird auch für die Dauer der Rentenzahlung an die Ertragslage der Versorgungseinrichtung gekoppelt. Für die Risikoleistungen dürfen gleichfalls keine Garantien ausgesprochen werden. Die fehlenden Garantien sollen zu höheren Leistungen führen, da keine Mittel zur Absicherung der Garantien in sichere Anlagen mit niedrigen Renditen fließen müssen. Ob derartige „erwartete Renten“ oder „Zielrenten“ den Bedürfnissen einer verlässlichen Altersversorgung gerecht werden, erscheint fraglich. Aus Sicht des Gesetzgebers sind sie die Antwort auf das anhaltende Niedrigzinsumfeld.
Daneben soll der Tarifvertrag zur Absicherung der Beitragszusage einen Sicherungsbeitrag vorsehen. Dieser ist jedoch nicht zwingend, sondern ist Gegenstand der Verhandlungen der Tarifvertragsparteien.
Nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer können die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelungen vereinbaren, sofern die gemeinsamen Einrichtungen bzw. die entsprechenden Versorgungswerke damit einverstanden sind. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde nunmehr ergänzt, dass die Tarifvertragsparteien nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern den Zugang nicht verwehren sollen und keine sachlich unbegründeten Vorgaben im Hinblick auf die Aufnahme und Verwaltung dieser Arbeitnehmer machen dürfen. Damit soll den vielfach nicht tarifgebundenen KMU der Zugang ermöglicht werden und somit die angestrebte Verbreitung erreicht werden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Gewerkschaften den Zugang nichttarifgebundener Arbeitgeber ohne Einrechnung von Zusatzkosten unterstützen werden.
Weiterhin wurde in diesem Zusammenhang eine Bestimmung aufgenommen, wonach die Tarifvertragsparteien die bestehenden Systeme angemessen berücksichtigen sollen. Hierdurch soll die vielfach befürchtetet Beschädigung bestehender Altersversorgungsregelung vermieden werden.
Verpflichtende Weitergabe von ersparten Sozialversicherungsbeiträgen
Wird eine Entgeltumwandlung als reine Beitragszusage durchgeführt, so ist im Tarifvertrag zu regeln, dass der Arbeitgeber 15 % des Entgeltumwandlungsbetrags als Zuschuss an die Versorgungseinrichtung zu zahlen hat, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.
Im Rahmen der zweiten und dritten Lesung im Bundestag wurde zusätzlich eine verpflichtende Weitergabe von ersparten Sozialversicherungsbeiträgen auch für Entgeltumwandlungen außerhalb einer reinen Beitragszusage eingeführt. Die Weitergabe gilt nur für die versicherungsförmigen Durchführungswege Pensionskasse, Pensionsfonds und Direktversicherung und für Zusagen ab 01.01.2019. Für zuvor vereinbarte Entgeltumwandlungen ist die Weitergabe ab 01.01.2022 verpflichtend. Die Regelung ist – im Gegensatz zur verpflichtenden Weitergabe bei der reinen Beitragszusage – tarifdispositiv. Dieser Arbeitgeberzuschuss wird sofort gesetzlich unverfallbar.
Entgeltumwandlungen in den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse sind hiervon nicht betroffen.
Optionssysteme
Neben der reinen Beitragszusage sollen als weiteres tarifexklusives Regelungselement zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung erstmals sogenannte Opting-Out-Systeme eingeführt werden können. Hierbei kann durch Tarifvertrag eine automatische Entgeltumwandlung geregelt werden. Der Arbeitnehmer wird einbezogen, wenn er nicht von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch macht. Es ist eine vorherige schriftliche Information erforderlich. Diese muss drei Monate vor der ersten Fälligkeit des umzuwandelnden Entgelts erfolgen und den Betrag und die umzuwandelnde Vergütung bezeichnen. Zudem muss ein Hinweis auf die jederzeitige Beendigung mit einer Frist von einem Monat enthalten sein. Opting-Out-Systeme setzen auf die mangelnde Aktivität der Arbeitnehmer und können dadurch tatsächlich zu einer höheren Verbreitung beitragen. Kritisch ist dabei zu sehen, dass sich Mitarbeiter an der Entgeltumwandlung beteiligen, für die diese möglicherweise nicht vorteilhaft ist.
Auch hier ist vorgesehen, dass nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelungen vereinbaren können.
Die Förderung – die steuerrechtlichen Neuerungen
Die zuvor dargestellten arbeitsrechtlichen Maßnahmen werden von steuerrechtlichen Änderungen begleitet, die wir ebenfalls zusammenfassen:
Steuerliche Förderung gemäß § 3 Nr. 63 EStG
Nach dieser Vorschrift können bislang Beiträge an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung bis zu einem Betrag von 4 % der BBG steuerfrei einbezahlt werden. Hinzu kann ein zusätzlicher Betrag in Höhe von bis zu € 1.800 für nach dem 31.12.2004 erteilte Versorgungszusagen kommen.
Hier soll der Förderrahmen auf Beiträge bis zu 8 % der BBG angehoben werden. Der zusätzliche Betrag von € 1.800 entfällt. Liegt noch eine nach § 40b EStG a. F. pauschalbesteuerte Zusage vor, so reduzieren dafür entrichtete Zuwendungen diesen Förderrahmen. Dies stellt zum einen eine Ausweitung der steuerfreien Zuwendungsmöglichkeiten an die externen Durchführungswege dar. Zum andern kommt es zu einer Vereinfachung, da sich künftig die Abgrenzung zwischen Alt- und Neuzusagen erübrigt. Die Pauschalbesteuerung der Zusage bleibt nunmehr auch nach einer Vertragsänderung dauerhaft erhalten.
Die Ausweitung der steuerfreien Zuwendungsmöglichkeiten wird jedoch nicht mit einer entsprechenden Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung flankiert. Hier bleibt es dabei, dass nur 4 % der BBG sozialversicherungsfrei in die versicherungsförmigen Durchführungswege einbezahlt werden können. Es kann somit zu einer Ausdehnung der Doppelverbeitragung in der Kranken- und Pflegeversicherung kommen, wenn sowohl in der Finanzierungs- als auch in der Leistungsphase Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten sind.
Neu hinzukommen soll die Möglichkeit, für Kalenderjahre, in denen das Arbeitsverhältnis geruht hat, Beiträge nachzuzahlen. So sollen Lücken geschlossen werden können, die beispielsweise durch die Inanspruchnahme von Elternzeit, längere Krankheit oder Auslandsentsendung entstehen.
Vereinfacht und ausgeweitet werden soll auch die steuerfreie Einbringung von Abfindungen aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses in die versicherungsförmigen Durchführungswege. Nach der bisherigen Regelung ist die Anzahl der Kalenderjahre, in denen das Arbeitsverhältnis nach 2004 bestand, mit dem Betrag von € 1.800 zu vervielfältigen. Davon sind die in den vergangenen sieben Jahren nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei erbrachten Beiträge abzuziehen. Hier sollen künftig 4 % der BBG vervielfältigt mit der Anzahl der Kalenderjahre, in denen das Arbeitsverhältnis bestand, eingebracht werden können. Es werden höchstens 10 Kalenderjahre berücksichtigt. Die Gegenrechnung tatsächlich erbrachter Beiträge entfällt.
Förderbetrag für Geringverdiener
Der Arbeitgeber kann zukünftig einen Förderbetrag in Höhe von 30 % seines Arbeitgeberbeitrags an eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds erhalten. Der Förderbetrag wird für Beiträge des Arbeitgebers für Geringverdiener mit einem Monatseinkommen von bis zu € 2.200 brutto gewährt. Der Beitrag muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden und mindestens € 240 pro Jahr betragen. Es wird maximal ein Beitrag in Höhe von jährlich € 480 gefördert. Der Arbeitgeber kann den Förderbetrag vom Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer entnehmen und bei der nächsten Lohnsteuer-Anmeldung absetzen. Die geförderten Beiträge sind steuer- und sozialabgabenfrei. Der Förderbetrag wird nur für gegenüber dem Bezugsjahr 2016 zusätzlich geleistete Beiträge gewährt; damit werden Arbeitgeber benachteiligt, die bereits heute Beiträge für ihre Arbeitnehmer aufwenden.
Weitere Maßnahmen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes
Bisher werden betriebliche Versorgungsleistungen vollständig auf die Grundsicherung im Alter angerechnet. Dadurch „lohnt“ sich die zusätzliche eigenfinanzierte Altersvorsorge für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen nicht, denn die erworbenen Leistungen werden im Alter auf die Grundsicherung angerechnet. Nach dem Gesetzesentwurf soll nun ein Freibetrag für die zusätzliche Altersversorgung (bAV, Riester- oder Rürup-Renten) eingeführt werden.
Für betriebliche Riester-Renten ist vorgesehen, dass in der Auszahlungsphase die Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entfällt, so dass die Doppelverbeitragung in diesem Bereich abgeschafft wird. Bisher werden die Beiträge in der Anwartschaftsphase aus dem Nettoentgelt geleistet und später in der Rentenphase nochmals durch Sozialversicherungsbeiträge belastet. Darüber hinaus wird ab dem Beitragsjahr 2018 die Grundzulage der Riester-Förderung von € 154 auf € 175 jährlich angehoben.
Zusätzlich soll eine Regelung eingeführt werden, die die Insolvenzsicherung rückgedeckter Zusagen betrifft. Im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers kann der Versorgungsberechtigte unter bestimmten Voraussetzungen anstelle der Leistungsübernahme durch den PSV die Übernahme der Rückdeckungsversicherung verlangen.
Daneben wird die rückwirkende Anwendung der durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie geänderten Anpassung von Pensionskassenrenten vorgesehen.
Fazit
Es hängt nun stark von den Tarifvertragsparteien ab, ob die Reform ein Erfolg wird und zur gewünschten weiteren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung führen wird. Kritisch bleibt zu sehen, ob sich die reine Beitragszusage ohne Garantien als verlässliche betriebliche Altersversorgung erweisen wird. Ob die Arbeitgeber den zur Sicherstellung der Zielrente notwendigen Sicherungsbeitrag und die damit verbundene Kostenbelastung tragen werden, bleibt abzuwarten.
Es ist allerdings enttäuschend, dass die geplanten Maßnahmen zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung nur die versicherungsförmigen Durchführungswege betreffen. Die weit verbreiteten Durchführungswege Direktzusage und Unterstützungskasse erfahren keinerlei Verbesserung. Insbesondere die dringend erforderliche Absenkung des steuerlichen Rechnungszinses für die Rückstellungsbewertung von Direktzusagen wird an keiner Stelle erwähnt.
Stuttgart, den 10.07.2017