Neue Heubeck-Richttafeln 2018 G für die versicherungsmathematische Bewertung von Verpflichtungen

Die versicherungsmathematische Bewertung von Pensions-, Jubiläums-, Altersteilzeit- und sonstigen Verpflichtungen findet bislang mit den Heubeck-Richttafeln 2005 G statt. Am 20.07.2018 sind die neuen Heubeck-Richttafeln 2018 G veröffentlicht worden. Deshalb stellen sich für die Bilanzierung nach HGB, IFRS und EStG verschiedene Anwendungsfragen.

Die Veröffentlichung eines BMF-Schreibens zur steuerbilanziellen Umsetzung wird Ende September bzw. Anfang Oktober erwartet. Gemäß § 6a Absatz 4 Satz 2 EStG muss der Unterschiedsbetrag, der sich aufgrund der erstmaligen Anwendung von neuen biometrischen Rechnungsgrundlagen wie die Heubeck-Richttafeln 2018 G ergibt, bei Pensionsverpflichtungen über (mindestens) 3 Jahre gleichmäßig verteilt zugeführt werden.

Der Hauptfachausschuss (HFA) des IDW hat sich mit den Anwendungsfragen nach HGB und IFRS beschäftigt und eine Berichterstattung im September veröffentlicht. Der HFA beschränkt sich darin auf Altersversorgungsverpflichtungen, allerdings gehen wir davon aus, dass diese Ergebnisse analog auf mit Altersversorgungsverpflichtungen vergleichbare andere langfristig fällige Verpflichtungen, die mit den Heubeck-Richttafeln bewertet werden (z. B. Jubiläums- und Altersteilzeitverpflichtungen), übertragbar sind.

Nach Auffassung des HFA sind die neuen Heubeck-Richttafeln 2018 G für Jahres- und Konzernabschlüsse anzuwenden, sobald sie allgemein anerkannt sind und bessere Schätzwerte darstellen als die bislang von den Unternehmen zugrunde gelegten Tabellenwerke. Dabei stellt ihre Anerkennung für ertragsteuerliche Zwecke durch das BMF einen Indikator für die allgemeine Anerkennung der neuen Richttafeln dar. Davon ausgehend kommt der HFA zu folgenden Ergebnissen:

1. Zeitliche Anwendung nach HGB/IFRS

Nach Ansicht des HFA ist grundsätzlich zwischen Bilanzstichtagen vor und nach der Veröffentlichung des BMF-Schreibens auf dessen Website (nicht im Bundessteuerblatt) zu unterscheiden. Des Weiteren spielt bei Bilanzstichtagen vor der Veröffentlichung des BMF-Schreibens eine entscheidende Rolle, ob der Abschluss nach der Veröffentlichung des BMF-Schreibens noch offen ist. Somit ergeben sich folgende Fallunterscheidungen, die nach Ansicht des HFA übereinstimmend sowohl für HGB als auch IFRS gelten:

Fall 1: Bilanzstichtag entspricht oder liegt nach dem Tag der Veröffentlichung des BMF-Schreibens
- Anwendung der neuen Heubeck-Richttafeln 2018 G
- Falls keine Anwendung erfolgt, ist eine Begründung durch das Unternehmen erforderlich. Als Grund wird vom IDW beispielsweise anerkannt, dass eine abschließende inhaltliche Validierung und Implementierung der neuen Richttafeln durch die Rechnungslegungspraxis, v. a. die Aktuare, bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Aufstellung des Abschlusses noch nicht abgeschlossen ist.

Fall 2: Bilanzstichtag liegt vor dem Tag der Veröffentlichung des BMF-Schreibens

a) Geschlossene Abschlüsse vor dem Tag der Veröffentlichung des BMF-Schreibens
- Anwendung der bisherigen Heubeck-Richttafeln 2005 G
- Alternativ: Freiwillige Anwendung der neuen Heubeck-Richttafeln 2018 G, falls der Bilanzierende begründen kann, dass dadurch die tatsächliche wirtschaftliche Belastung am Stichtag zutreffender abgebildet wird.

b) Offene Abschlüsse am Tag der Veröffentlichung des BMF-Schreibens
- Siehe Fall 1, d. h. grundsätzliche Anwendung der neuen Heubeck-Richttafeln 2018 G. Nach dem Wortlaut der Berichterstattung sind auch offene Abschlüsse mit Bilanzstichtag vor der Veröffentlichung der neuen Heubeck-Richttafeln 2018 G am 20.07.2018 mit den neuen Tafeln zu bewerten. Dies würde für offene Abschlüsse mit Bilanzstichtag 30.06.2018 oder früher bedeuten, dass Verpflichtungen, die bereits mit den bisherigen Heubeck-Richttafeln 2005 G bewertet wurden, nochmals mit den neuen Heubeck-Richttafeln 2018 G zu bewerten sind.

2. Bilanzielle Behandlung des Unterschiedsbetrags aus der Bewertung mit beiden Richttafeln

Im HGB-Abschluss ist der Unterschiedsbetrag sofort in voller Höhe als Teil des Personalaufwands zu erfassen. Nach IAS 19 erfolgt die Erfassung des Unterschiedsbetrages im Jahr der Erstanwendung erfolgsneutral als versicherungsmathematischer Gewinn/Verlust aus der Veränderung demografischer Annahmen im Rahmen der Neubewertungen der Nettoschuld (remeasurements of the DBL).

3. Anhang des Jahresabschlusses bzw. Berichterstattung

Der Unterschiedsbetrag ist im HGB-Abschluss im (Konzern-)Anhang – sofern er nicht von untergeordneter Bedeutung ist – als periodenfremder Aufwand/Ertrag i. S. v. § 285 Nr. 32 HGB oder als Aufwand/Ertrag von außergewöhnlicher Größenordnung oder außergewöhnlicher Bedeutung i.S.v. § 285 Nr. 31 HGB anzugeben. Im IFRS-Abschluss kann neben dem Ausweis in den Überleitungsrechnungen im Rahmen der versicherungs-mathematischen Gewinne/Verluste aus der Änderung demografischer Annahmen der Ausweis des Unterschiedsbetrags auch zusätzlich nach IAS 8.39 als Schätzungsänderung zu erfolgen haben, sofern der Betrag in seiner Höhe als wesentlich angesehen wird.

4. Zusammenfassende Darstellung und Hinweise

Aufgrund der Auffassung des HFA ist für die praktische Umsetzung davon auszugehen, dass – einheitlich für HGB und IFRS – die neuen Heubeck-Richttafeln 2018 G ab der Veröffentlichung des BMF-Schreibens auf der Website des BMF (erwartet Ende September/Anfang Oktober) regelmäßig anzuwenden sind. Für Jahresabschlüsse von davor liegenden Abschlussstichtagen, die nicht mehr offen sind, sind die bisherigen Heubeck-Richttafeln 2005 G maßgebend. Allerdings können auch die neuen Heubeck-Richttafeln 2018 G verwendet werden, weil sie u. E. die tatsächliche wirtschaftliche Belastung des Unternehmens besser abbilden. Für zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des BMF-Schreibens offene Abschlüsse sind nach dem Wortlaut der HFA-Berichterstattung die neuen Heubeck-Richttafeln 2018 G anzuwenden. Durch diesen geforderten zeitlichen Umgang mit den Richttafeln zeigt sich u. E. die nicht explizit angeführte Auffassung des HFA, dass die neuen Richttafeln wertaufhellend i. S. d. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sind. Dies ist überraschend, da bei der letzten Aktualisierung der Heubeck-Richttafeln im Jahr 2005 nach Ansicht des IDW keine Neubewertung von Verpflichtungen bei offenen Abschlüssen mit Bilanzstichtagen vor der damaligen Veröffentlichung der Heubeck-Richttafeln 2005 G durchzuführen war. Wie in der Praxis daher bei offenen Abschlüssen mit Bilanzstichtag vor der Veröffentlichung der Heubeck-Richttafeln am 20.07.2018 umgegangen wird, ist noch nicht abzusehen.

Der Unterschiedsbetrag aus der Bewertung mit beiden Richttafeln ist zwar im Rahmen der GuV nicht in einem gesonderten Posten oder als davon-Vermerk anzugeben, jedoch stellt er nach HGB einen periodenfremden Aufwand/Ertrag i. S. v. § 285 Nr. 32 HGB dar. Die Ermittlung des Unterschiedsbetrags nach HGB durch eine Zusatzberechnung mit den bisherigen Heubeck-Richttafeln 2005 G dürfte daher häufig erforderlich sein.

Nach IAS 19 ist der Unterschiedsbetrag aus der Bewertung mit beiden Richttafeln erfolgsneutral in den versi-cherungsmathematischen Gewinnen/Verlusten aus der Veränderung demografischer Annahmen zu erfassen. Dies bedeutet eine Zusatzberechnung für Unternehmen, bei denen sich die übrigen demografischen Annahmen (z. B. Fluktuation) für die Bewertung gegenüber dem Vorjahr nicht ändern. Unternehmen mit einer Bewertungsänderung aufgrund von - abgesehen von den Richttafeln - sonstigen abweichenden demografischen Annahmen benötigen häufig auch eine Zusatzberechnung, weil der Unterschiedsbetrag aus der Bewertung mit beiden Richttafeln aufgrund von IAS 8.39 separat anzugeben ist. Der Unterschiedsbetrag entspricht hier nicht dem ohnehin zu ermittelnden versicherungsmathematischen Gewinn/Verlust aus der Veränderung demografischer Annahmen.

Welche Größenordnung der Unterschiedsbetrag annimmt, kann pauschal für einen Versorgungsbestand nicht angegeben werden. Durchschnittlich wird eine Erhöhung von etwa 2 % erwartet. Wir haben umfangreiche Musterberechnungen durchgeführt, die heterogene Auswirkungen von z. T. deutlichen Rückstellungserhöhungen bis Rückstellungsminderungen gezeigt haben. Sie hängen maßgeblich von der konkreten Zusammensetzung des Versorgungsbestands aus Aktiven, Invaliden, Ausgeschiedenen, Alters- und Hinterbliebenenrentnern, deren Alter und Geschlecht, der Art der Zusage, dem Bewertungsverfahren und den Bewertungsannahmen (z. B. Rechnungszins, Rententrend und rechnerisches Pensionierungsalter) ab. Die Rückstellungsänderungen für HGB, IFRS und EStG sind zudem unterschiedlich hoch.

Das BMF wird sich voraussichtlich Ende September/Anfang Oktober zur steuerlichen Umsetzung äußern.

Stuttgart, den 18.09.2018



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