Die vor dem 01.01.2001 geltenden Begriffe der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit und ihre Anwendung auf aktuelle Versorgungsfälle - BAG-Urteil vom 16.03.2010
(Az: 3 AZR 594/09)
Versorgungszusagen knüpfen zur Definition von Invalidität oftmals an die Begriffe der gesetzlichen Rentenversicherung an. Vor dem 01.01.2001 waren dies die Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Mit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. I 2000, 1827 ff.) hatte der Gesetzgeber zum 01.01.2001 das System der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung begrifflich und inhaltlich neu geregelt.
Bei den Erwerbsminderungsrenten, die grundsätzlich nur noch befristet für die Dauer von längstens drei Jahren gezahlt werden und gegebenenfalls wiederholt gewährt werden, wird für die in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten nach voller und teilweiser Erwerbsminderung unterschieden. Es kommt bei der Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf das zeitliche Leistungsvermögen des Versicherten unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes an. Eine Rente wegen Erwerbsminderung wird in Abhängigkeit von der ärztlich festgestellten Leistungsfähigkeit als Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gezahlt. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die außerstande sind, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Wer - unabhängig von der Arbeitsmarktlage - mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kann, hat keinen Rentenanspruch.
Ist eine Versorgungszusage vor dem 01.01.2001 begründet worden und enthält diese noch unverändert die veralteten Begriffe der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, so ist es weitgehend ungeklärt, ob bei nach dem 31.12.2000 eintretenden Versorgungsfällen die Begriffe der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit nach der alten Rechtslage oder die nicht inhaltsgleichen Begriffe der vollen und teilweisen Erwerbsminderung zugrunde zu legen sind.
In dem mit Urteil vom 16.03.2010 entschiedenen Fall (Az: 3 AZR 594/09) vertrat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Auffassung, dass das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 zu einer planwidrigen Unvollständigkeit in der vor der Gesetzesänderung zum 01.01.2001 begründeten Versorgungsordnung geführt habe. Weder die ehemalige Arbeitgeberin noch der Kläger konnten im Zeitpunkt des Entstehens der Versorgungsordnung die in Zukunft geänderte Rechtslage als regelungsbedürftig betrachten. Die entstandene Regelungslücke sei nach Ansicht des BAG durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Dies erfolge dadurch, dass der Kläger seine Invalidität im Sinne des früheren Rechts der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit nachweise.
U. E. ist stets bezogen auf die jeweilige Versorgungszusage zu untersuchen, ob eine planwidrige Unvollständigkeit (Regelungslücke) der Versorgungsregelung entstanden ist, die im Sinne des Urteils des BAG zu einer Anwendung der alten Begriffe der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit führt. Gegebenenfalls sollten Versorgungsregelungen an die neuen Begriffe der vollen und teilweisen Erwerbsminderung angepasst werden.
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