Mindestehedauerklausel zur Begrenzung der Hinterbliebenenversorgung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 19.02.2019 (3 AZR 150/18) entschieden, dass eine Mindestehedauerklausel in Versorgungsregelungen in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter bestimmten Umständen unwirksam ist. Bei einer Mindestehedauerklausel handelt es sich um eine Regelung, nach der ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nur besteht, wenn die Ehe zwischen dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer und dem Ehegatten im Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers für eine bestimmte Zeitdauer bestanden hat. Eine Regelung, die eine zehnjährige Mindestehedauer verlangt, stellt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB dar.
Sachverhalt
Die Klägerin ist die Witwe des verstorbenen früheren Arbeitnehmers der Beklagten. Dieser war vom 01.06.1986 bis zum 28.02.2005 bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitnehmer hatte eine Versorgungszusage erhalten, die dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterlag. Danach war unter anderem im Falle des Todes eine Witwenrente in Höhe von 50 % der Altersrente zugesagt. Nach der Versorgungszusage sollte die Witwenrente jedoch entfallen, wenn im Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers die Ehe nicht mindestens zehn Jahre bestanden hat. Der Verstorbene bezog seit September 2011 eine Rente von zuletzt € 78,19. Die Ehe mit der Klägerin wurde am 01.07.2011 geschlossen und bestand im Zeitpunkt des Todes im April 2015 somit weniger als vier Jahre.
Entscheidung
Das BAG entschied zugunsten der Klägerin. Die Klausel, wonach die Ehe im Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers mindestens zehn Jahre bestanden haben muss, benachteiligt den verstorbenen Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist somit wegen des Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam. Bei der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung entspricht es der Vertragstypik, dass Ehegatten der Arbeitnehmer abgesichert sind. Wenn der Arbeitgeber diesen Personenkreis zulasten des Arbeitnehmers in der Versorgungszusage einschränkt, unterliegt dies der Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB: Inhaltskontrolle. Eine Einschränkung ist unangemessen, wenn die Benachteiligung des Arbeitnehmers nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Zwar hat der Arbeitgeber grundsätzlich ein berechtigtes Interesse, sein mit der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung einhergehendes finanzielles Risiko zu beschränken. Die in der Versorgungszusage enthaltene Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung orientiert sich aber nicht an irgendwelchen Risikoerwägungen, sondern knüpft vielmehr an eine willkürlich gegriffene Zeitspanne an, während derer die Ehe bestanden haben muss. Sofern mit der Klausel die Verhinderung einer Versorgungsehe beabsichtigt ist, ist die geforderte Mindestehedauer von zehn Jahren bei Weitem nicht erforderlich, um eine solche Versorgungsehe auszuschließen. Vielmehr verweist das BAG auf vergleichbare Regelungen für die gesetzliche Rentenversicherung und die Beamtenversorgung, wo jeweils seitens des Gesetzgebers eine Ehedauer von einem Jahr für ausreichend erachtet wird.
Bewertung
Nach der Entscheidung dürften Mindestehedauerklauseln, die den Bestand einer Ehe von mehr als einem Jahr verlangen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mehr zulässig sein. Es empfiehlt sich die Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung bestehender Regelungen. Ob dabei auch die bei der gesetzlichen Rentenversicherung eröffnete Möglichkeit der Widerlegung der Vermutung einer Versorgungsehe vorzusehen ist, geht aus der Entscheidung nicht eindeutig hervor. Vor dem Hintergrund der in der letzten Zeit ergangenen umfangreichen Rechtsprechung zur Hinterbliebenenversorgung erscheint eine Überprüfung getroffener Regelungen anhand der vom BAG aufgestellten Grundsätze ratsam. Unwirksame Klauseln können durch vom BAG als zulässig erachtete Regelungen ersetzt werden.
Stuttgart, den 07.06.2019
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