Betriebliche Altersversorgung im Betriebsübergang – Ablösung nur im Rahmen der 3-Stufen-Theorie

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 22.10.2019 (3 AZR 429/18) entschieden, dass das dreistufige Prüfungsschema auch im Falle eines Betriebsübergangs Anwendung findet. Bei der Ablösung einer bisher im Betrieb des Veräußerers geltenden Betriebsvereinbarung durch eine im Erwerberunternehmen bereits vorhandene Gesamtbetriebsvereinbarung sind dementsprechend Besitzstände zu wahren.

Sachverhalt

Der Kläger war bei der Ü beschäftigt, deren betriebliche Altersversorgung durch eine Betriebsvereinbarung geregelt war. Im Jahre 1998 wurde die Ü auf die E AG verschmolzen und eigenständig weitergeführt. Bei der E AG bestand eine Versorgungsordnung in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung. Zur Regelung des Übergangs wurden von den Tarifvertragsparteien, den Betriebsräten und den beteiligten Unternehmen verschiedene Vereinbarungen zur Ablösung der ursprünglichen Versorgungsordnung geschlossen. Seit 2009 bezieht der Kläger eine Rente. Der Kläger macht geltend, dass sich die Berechnung der Rente nach der ursprünglichen Betriebsvereinbarung zu richten habe und die späteren Eingriffe unwirksam waren.

Entscheidung

Zunächst stellte das BAG fest, dass gemäß § 613a Absatz 1 Satz 3 BGB eine Gesamtbetriebsvereinbarung des Erwerbers die Betriebsvereinbarung des Veräußerers zu demselben Regelungsgegenstand verdrängt (Ordnungsprinzip). Will ein Arbeitgeber – unabhängig von einem Betriebsübergang – seine Versorgungsordnung durch eine neue ablösen, sind die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu beachten, die durch die 3-Stufen-Theorie konkretisiert wurden. Dies gilt nach der vorliegenden Entscheidung nun auch bei der Ablösung einer bisher beim Veräußerer geltenden Betriebsvereinbarung durch eine beim Erwerber bestehende Betriebsvereinbarung. Das BAG nimmt also eine einschränkende Auslegung (teleologische Reduktion) des § 613a Absatz 1 Satz 3 BGB mit der Begründung vor, dass diese Vorschrift dem Erwerber lediglich die Möglichkeiten gewähren soll, die auch der Veräußerer gehabt hätte. Dies hat zur Folge, dass eine beim Erwerber bestehende Betriebsvereinbarung gegenüber einer beim Veräußerer bestehenden Betriebsvereinbarung nur insoweit nach § 613a Absatz 1 Satz 3 BGB ablösende Wirkung entfaltet, als dies einer Überprüfung nach der 3-Stufen-Theorie standhält.

Im konkreten Fall lag ein Eingriff auf der dritten Stufe, d. h. in die künftig erdienbaren Zuwächse vor. Dieser ist nur beim Vorliegen sachlich-proportionaler Gründe gerechtfertigt. Abweichend zur bisherigen Rechtsprechung reicht hierfür ein Vereinheitlichungsinteresse des Arbeitgebers allein nicht aus. Als weitere Voraussetzungen muss die inhaltliche Ausgestaltung der Änderung mit den Änderungsgründen in Einklang stehen (bei Vereinheitlichungsinteresse ist daher keine Verringerung des Dotierungsrahmens gerechtfertigt) und die Neuregelung muss zumutbar sein. Dies sah das BAG nicht als erfüllt an, so dass keine wirksame Ablösung durch die Gesamtbetriebsvereinbarung des Veräußerers vorlag.

Im vorliegenden Fall bestand jedoch noch eine weitere Vereinbarung, die als Tarifvertrag ausgelegt wurde und die ursprüngliche Betriebsvereinbarung verdrängt hat. Bei einem Tarifvertrag kommt die 3-Stufen-Theorie nicht zur Anwendung. Einer Prüfung allein anhand der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes hielt diese Regelung stand. Da dem BAG eine Berechnung anhand der nach seiner Ansicht geltenden Vorschriften nicht möglich war, wurde die Sache diesbezüglich an das LAG zurückverwiesen.

Bewertung

Diese neuen Anwendungsweise des § 613a Absatz 1 Satz 3 BGB können gravierende Auswirkungen für Unternehmen haben, die ein anderes Unternehmen im Wege des Betriebsübergangs übernehmen wollen oder übernommen haben. Werden Betriebsvereinbarungen des übernommenen Unternehmens durch eigene bestehende Betriebsvereinbarungen abgelöst, ist diese Ablösung nun immer an der 3-Stufen-Theorie zu messen. Die Begründung eines Eingriffs auf der dritten Stufe wird zusätzlich durch weitere Anforderungen an den Sachgrund „Vereinheitlichungsinteresse“ erschwert.

Stuttgart, den 24.03.2020

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