Update - Neuer IDW-Rechnungslegungshinweis zur Bilanzierung rückgedeckter Direktzusagen

Im Jahr 2021 hat der IDW Fachausschuss Unternehmensberichterstattung (FAB) den Rechnungslegungshinweis „Handelsrechtliche Bewertung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus rückgedeckten Direktzusagen“ (IDW RH FAB 1.021) verabschiedet. Hierüber haben wir bereits mehrfach berichtet, zuletzt in einem Artikel vom 08.02.2022 auf unserer Homepage.

Zwischenzeitlich wurde durch die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) der Ergebnisbericht des Fachausschusses Altersversorgung vom 26.04.2022 zur aktuariellen Umsetzung des IDW RH FAB 1.021 veröffentlicht und das IDW hat diesen in Form einer Sitzungsberichtserstattung im Mitgliederbereich am 02.08.2022 grundsätzlich begrüßt. Es hat lediglich die Ansicht der DAV zur Nichtanwendbarkeit des Rechnungslegungshinweises auf fonds- bzw. indexgebundene Rückdeckungsversicherungen eingeschränkt. Darunter sind nach Ansicht des IDW Versicherungsprodukte zu verstehen, bei denen das Versicherungsunternehmen jedenfalls bis zum Renteneintrittszeitpunkt keine bestimmte Verzinsung der eingezahlten Sparprämien garantiert, d. h. der Versicherungsnehmer profitiert bis dahin von Wertsteigerungen der Fonds oder sonstigen Finanzprodukte, in welche die eingezahlten Sparprämien investiert wurden, und hat umgekehrt Wertverluste hinzunehmen. Während die DAV keine Anwendung des IDW RH FAB 1.021 auf diese Versicherung erkennen mag, ist dies nach Ansicht des IDW nur solange zulässig, wie die Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung nicht in eine weitestgehend garantierte lebenslange Rente umgerechnet wurden. Letzteres sei häufig zum Renteneintrittszeitpunkt der Fall.

Bei Vorliegen von herkömmlichen Versicherungen oder i. d. R. spätestens in der Rentenphase von fonds- bzw. indexgebundenen Versicherungen ist eine kongruente Bewertung der Versorgungs- und Versicherungsleistungen erforderlich. Diese erfolgt entweder nach dem Primat der Aktivseite oder der Passivseite.

  • Primat der Aktivseite:
    Die Pensionsverpflichtung wird – soweit sie kongruent rückgedeckt ist - mit dem Buchwert des korrespondierenden Rückdeckungsversicherungsanspruchs, also unter Berücksichtigung der Rechnungsgrundlagen des Versicherungstarifs bewertet.
  • Primat der Passivseite:
    Eine kongruente Bewertung lässt sich ebenfalls durch den Ansatz des Versicherungsanspruchs in Höhe des Erfüllungsbetrags des kongruent rückgedeckten Teils der Pensionsverpflichtung erreichen.

Wir empfehlen ausdrücklich das Passivprimat. Bei diesem werden die Leistungen der Rückdeckungsversicherungen so bewertet wie die Leistungen der Pensionsverpflichtungen, nämlich nach § 253 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 HGB mit den nach HGB durch den Erfüllungsbetrag anzusetzenden besten Schätzparametern. Zudem erfolgt bei einer untergedeckten Direktzusage abweichend zum Aktivprimat eine einheitliche Bewertung aller Versorgungs- und Versicherungsleistungen. Dies vereinfacht auch die Angabe der Zuführungskomponenten in der GuV und im Anhang des Jahresabschlusses. Für Abschlüsse gemäß IFRS ist die Verwendung des Passivprimats nach IAS 19.115 und IAS 19.119 vorgeschrieben.

Zur Ermittlung des Wertansatzes der Rückdeckungsversicherung sind entsprechend dem IDW RH FAB 1.021 die Leistungen aus der Rückdeckungsversicherung zu bewerten. Neben diesem sog. zahlungsstrombasierten Bewertungsverfahren kann nach Ansicht der DAV auch ein sog. faktorbasiertes Bewertungsverfahren als Näherungsverfahren verwendet werden. In Abhängigkeit der Datenlage durch den Versicherer kann dies insbesondere bei der Einrichtung der erstmaligen Bewertung durch den Aktuar zu einem geringeren Aufwand führen. Diesem Verfahren liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Erfüllungsbetrag der Pensionsverpflichtung und der von der Versicherung gemeldete Aktivwert Barwerte von Zahlungsströmen darstellen, die auf unterschiedlichen Rechnungsgrundlagen basieren. Da diese die Vergleichbarkeit beider Werte verhindern, sollen sie durch die Anwendung eines „Faktors“ eliminiert und dadurch die Barwerte vergleichbar gemacht werden. Diese Umschätzung auf dieselbe Metrik bzw. Rechnungsgrundlage soll gemäß dem DAV-Hinweis im Bereich des Zinssatzes und der biometrischen Wahrscheinlichkeiten erfolgen.

Wir als Kern Mauch & Kollegen haben jahrelange Erfahrung mit der Bewertung nach dem zahlungsstrombasierten Verfahren. Die Ersteinrichtung ist ähnlich aufwändig wie die Einrichtung der Bewertung einer Pensionszusage und wir benötigen bestimmte Werte der Standmitteilungen der Rückdeckungsversicherungen. Die Bewertung erfolgt im Anschluss korrekt und im Sinne des IDW RH FAB 1.021.

Beim faktorbasierten Bewertungsverfahren benötigen wir die aktuellen Aktivwerte der Rückdeckungsversicherung und nach Ansicht der DAV die Gesamtverzinsungserwartung der zu bewertenden Rückdeckungsversicherung.

Dieses faktorbasierte Bewertungsverfahren wird von der DAV als angemessenes Bewertungsverfahren proklamiert und infolgedessen vom IDW auch grundsätzlich akzeptiert. Wir sehen es jedoch als problematisch an, weil es insbesondere auf der Annahme fußt, dass die Versicherung in der Anspar- und Rentenphase zu jedem Zeitpunkt dieselbe künftige Verzinsung erzielt, nämlich in Höhe der sog. Gesamtverzinsung der Versicherung. Tatsächlich ist die Verzinsung zwischen Anspar- und Rentenphase bei den Versicherungen systembedingt nicht gleich. Versicherer teilen der Ansparphase höhere Überschussanteile als der Rentenphase zu. Der Begriff der Gesamtverzinsung bezieht sich auf eine Verzinsung ausschließlich in der Ansparphase, in der Rentenphase ist die Verzinsung niedriger als die Gesamtverzinsung. Eine Umschätzung auf Basis der Gesamtverzinsungserwartung ist daher mit einem Fehler verbunden, dessen Höhe und Relevanz wir ohne Berechnung nach dem zahlungsstrombasierten Verfahren für den jeweiligen Sachverhalt nicht ausreichend einschätzen können. Die Höhe der Verzinsung ist wohlgemerkt die wichtigste Größe zur Umschätzung. Geringfügige Abweichungen im Zins führen zu signifikanten Änderungen in der Bewertung. Wir gehen davon aus, dass dieses Problem erkannt und auch weitere Erfahrungen mit dem DAV-Hinweis für den Bilanzstichtag 31.12.2022 gesammelt werden, um im nächsten Jahr eine Adjustierung des DAV-Hinweises vorzunehmen.

Wir empfehlen das zahlungsstrombasierte Verfahren, können jedoch auch eine Bewertung nach dem faktorbasierten Verfahren durchführen.

Bei der erstmaligen Umsetzung entsteht ein erhöhter Kommunikations- und Informationsbedarf. Eine rechtzeitige Abstimmung mit dem Versicherungsanbieter ist an dieser Stelle wichtig, da im Rahmen der Erstellung des versicherungsmathematischen Gutachtens Auskünfte vom Versicherer rechtzeitig vorliegen müssen, die bei der erstmaligen Umsetzung voraussichtlich einen langwierigen Prozess durchlaufen.


Stuttgart, den 30. August 2022

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