Berücksichtigung der deutlich gestiegenen Inflationsraten in Gutachten für Pensionsverpflichtungen

Der in den letzten Monaten eingetretene deutliche Anstieg der Inflation führt i. d. R. zu einer Erhöhung der Pensionsrückstellungen von Unternehmen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass voraussichtliche künftige Rentenanpassungen bei der Ermittlung der Pensionsrückstellungen zu berücksichtigen sind. Nach § 16 Absatz 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Betriebsrenten zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Eine Anpassung kann der Arbeitgeber nur dann verweigern, wenn er eine schlechte wirtschaftliche Lage darlegen und beweisen kann. Die Anpassung kann bezogen auf die gesamte Rentenphase entweder nach der Erhöhung des Verbraucherpreisindexes (VPI) oder der Nettolöhne von vergleichbaren Arbeitnehmergruppen erfolgen. Üblicherweise wird in der Praxis eine Anpassung entsprechend dem VPI vorgenommen. Den Prüfungszeitpunkt kann der Arbeitgeber zur Verwaltungsvereinfachung innerhalb eines Jahres zu einem bestimmten Zeitpunkt bündeln (beispielsweise im August eines jeden Jahres). Möglich ist auch die Bündelung sämtlicher Anpassungen auf einen Dreijahres-Rhythmus (beispielsweise im Juli 2022, Juli 2025), wenn die Betriebsrenten der neuen Versorgungsempfänger bei der nächsten alle drei Jahre stattfindenden, gemeinsamen Anpassungsentscheidung erhöht werden. Dabei darf sich für die Betriebsrentner die erste Anpassungsprüfung jeweils um höchstens sechs Monate verzögern.

Von dieser dreijährlichen Anpassungsprüfungspflicht ist das Unternehmen befreit, wenn es sich gemäß § 16 Absatz 3 Nr. 1 BetrAVG verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens 1 % anzupassen. Dies gilt jedoch nur, wenn die Versorgungszusage nach dem 31.12.1998 erteilt wurde.

Die gestiegene Inflation in den letzten Monaten wirkt sich einerseits in einer deutlich höheren Anpassung zum nächsten und ggf. übernächsten Prüfungsstichtag und anderseits auf die mittel- bis langfristige Inflationserwartung aus. Bislang wurden in der Praxis die voraussichtlichen künftigen Rentenanpassungen durch einen einheitlichen Rententrend in der handelsrechtlichen Bewertung der Pensionsverpflichtungen berücksichtigt. Der Rententrend wurde üblicherweise in einer Bandbreite von 1,5 % bis 1,9 % p. a. angesetzt. Für die Höhe der mittel- bis langfristigen Inflation hat die EZB ihre Erwartung von nahe 2 %, was mit etwa 1,8 % gedeutet wurde, auf 2 % erhöht. Gleichzeitig ist im kurzfristigen Bereich mit einer über 2 % liegenden Inflation zu rechnen. So prognostizierte z. B. die Deutsche Bundesbank im Juni 2022 eine Inflationsrate von 4,5 % im Jahr 2023 und von 2,5 % im Jahr 2024. Um diese kurzfristig höheren Inflationserwartungen für 2023 und 2024 bereits zum Bilanzstichtag 31.12.2022 im handelsrechtlichen Aufwand zu erfassen, kann beispielsweise ein Rententrend von 2 % p. a., der ab dem 01.01.2023 wirkt, um zwei Sondererhöhungen der bewerteten Renten von 2,5 % zum 31.12.2023 und 0,5 % zum 31.12.2024 ergänzt werden.

Alternativ dazu können diese kurzfristig höheren Inflationserwartungen in den geltenden „normalen“ Rententrend von 2 % p. a. eingerechnet werden. Dadurch würde sich für Rentnerbestände ein Zuschlag von ca. 0,3 %-Punkten ergeben. Dieser Zuschlag ist dabei abhängig von der Höhe des „normalen“ Rententrends und der Duration des Rentnerbestands.

Für die Höhe des anzusetzenden Rententrends ist neben diesen Überlegungen auch die Bewertungsstetigkeit nach § 252 Absatz 1 Nr. 6 HGB zu beachten. Sollte der bisherige Rententrend relativ niedrig z. B. bei 1,5 % p. a. angesetzt worden sein, ist naheliegend, dass er auch zum nächsten Bilanzstichtag relativ niedrig angesetzt wird. Aus unserer Sicht wäre die Anhebung des langfristigen Rententrends um 0,2 %-Punkte entsprechend der EZB-Erwartung unter sonst gleichen Prämissen (z. B. wirtschaftliche Lage) noch vertretbar, was aber ggf. zu einem etwas höheren Zuschlag zum langfristigen Rententrend aufgrund der zu berücksichtigenden kurzfristig höheren Inflationserwartungen führen würde.

Für die nächste Rentenanpassung im oben beschriebenen Dreijahres-Rhythmus ist mit einer deutlichen Erhöhung der gezahlten Rente, die uns für die Ermittlung der Pensionsrückstellungen i. d. R. gemeldet wird, zu rechnen. Aus diesem Grund ist es sachgerecht, bereits zum nächsten Bilanzstichtag die bis dahin eingetretene Inflation in die Höhe der zu bewertenden Rente einzupreisen. Diese Schattenrente stellt den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verpflichtungsumfang aus der Pensionszusage dar, welche mit dem Rententrend für die Jahre nach dem Bilanzstichtag weiterentwickelt wird. Wurde z. B. eine laufende Rente letztmalig zum 01.08.2020 angepasst, belief sich der maßgebende VPI Stand Juli 2020 auf 106,1. Aktuell (Stand Juli 2022) beträgt der VPI 118,4 (+ 11,6 %). Er wird bis zum 31.12.2022 voraussichtlich noch weiter ansteigen. Geht man Stand August 2022 von einer Erhöhung von 0,4 % pro Monat aus, wäre zum Bilanzstichtag eine Inflation von 13,6 % eingetreten. Die Schattenrente zum 31.12.2022 würde somit 113,6 % der zu diesem Zeitpunkt gezahlten Rente betragen. In die Schattenrente können auch rechnerisch die Sonderhöhungen der Jahre 2023 (2,5 %) und 2024 (0,5 %) einkalkuliert werden. Die sich ergebende Schattenrente von 116,6 % der gezahlten Rente wäre mit dem langfristigen Rententrend (ohne Zuschlag) von 2 % p. a. zu bewerten, sofern aufgrund der wirtschaftlichen Lage von einer vollständigen Anpassung der Rente zum nächsten Anpassungsstichtag und in der Zukunft ausgegangen werden kann. Der Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass dieser Rententrend von 2 % (nach wie vor) sowohl für Rentner als auch für Anwärter gültig ist. Sollten hingegen die Sondererhöhungen in einen Zuschlag zum Rententrend eingepreist werden, wäre eine Schattenrente in Höhe von 113,6 % mit einem Rententrend von 2,3 % zu bewerten. Dieser Rententrend wäre aber nur auf Rentner anzuwenden, weil bei Anwärtern die erhöhte Inflation in den Jahren 2023 und 2024 zu keiner laufenden Rentenerhöhung führt. Ferner bestünde die Möglichkeit, die bis zum Bewertungsstichtag eingetretene Inflation – im Beispiel 13,6 % – nicht durch die Berücksichtigung einer Schattenrente, sondern durch einen weiteren Zuschlag zum Rententrend abzubilden. In unserem Beispiel würde dieser weitere Zuschlag zum Rententrend ca. 1,36 % betragen, so dass die gezahlte Rente mit einem Rententrend von 3,66 % bewertet werden könnte.

Das Beispiel zeigt, dass für die Bewertung des Rentnerbestands eine Analyse der Sachlage beim jeweiligen Unternehmen erforderlich ist, um einen angemessenen Umgang mit der zum Bilanzstichtag eingetretenen Inflation bestimmen zu können.

Bitte stimmen Sie sich frühzeitig auch mit ihrem Wirtschaftsprüfer zum Umgang mit der stark gestiegenen Inflation bei den Pensionsrückstellungen ab. Da bewertungstechnisch verschiedene Umsetzungen denkbar sind, darf z. B. nicht nur auf die Höhe des Rententrends geachtet werden. Vielmehr ist eine Berücksichtigung des Zusammenspiels der Bewertungsparameter Schattenrente, Sondererhöhungen und Rententrend für Anwärter und Rentner notwendig.

Für den 31.12.2022 ist mit zwei Effekten für die deutsche Handelsbilanz zu rechnen. Erstens mit einem Entlastungseffekt gegenüber dem Vorjahr dadurch, dass der Rechnungszins weniger stark sinken wird als in den letzten Jahren. Andererseits besteht ein Belastungseffekt aufgrund der eingetretenen Teuerung, der den Entlastungseffekt in Abhängigkeit des Sachverhalts wahrscheinlich in den meisten Fällen deutlich übersteigen wird.

Bitte prüfen Sie Ihren Handlungsbedarf z. B. in Bezug auf Budgetplanungen und kommen Sie ggf. auf Ihren Ansprechpartner in unserem Hause zu.


Stuttgart, den 30. August 2022

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