Aktuelles zum Versorgungsausgleich:
BGH korrigiert seine Rechtsprechung zum Rechnungszins und gibt Praxishinweise zur BVerfG-Entscheidung

Mit dem am 14.05.2021 veröffentlichten Beschluss (XII ZB 230/16 vom 24.03.2021) gibt der BGH wichtige Hinweise zur praktischen Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1 BvL 5/18) vom 26. Mai 2020 zur verfassungskonformen externen Teilung gem. § 17 VersAusglG (vgl. Artikel vom 01.07.2020). Weiterhin gibt der BGH seine Rechtsprechung zur Maßgeblichkeit des siebenjährigen Betrachtungszeitraums beim BilMoG-Zins auf.

Hintergrund

Das Bundesverfassungsgericht hatte die externe Teilung nach § 17 VersAusglG zwar grundsätzlich für verfassungskonform erklärt. Dies ist aber nach Ansicht des Gerichts nur dann der Fall, wenn bei der externen Teilung kein sog. Transferverlust von mehr als 10 % entsteht. Hierzu ist ein Vergleich zwischen dem Wert einer fiktiven internen Teilung und der aus der Zielversorgung erwartbaren Versorgung vorzunehmen. Ist die Abweichung größer als 10 %, ist der Ausgleichswert zu Lasten des Arbeitgebers so festzulegen, dass der
10 %-Korridor in der Zielversorgung nicht überschritten wird. Wie diese von den Familiengerichten vorzunehmende Prüfung in die Praxis umzusetzen ist, hat der BGH nun vorgegeben.

Vereinfachung: Keine Transferverluste bei einem Rechnungszins von bis zu 3 %

Der BGH hat entschieden, dass Ausgleichswerte, die mit einem Rechnungszins von bis zu 3 % p. a. ermittelt werden, bei einer externen Teilung in die gesetzliche Rentenversicherung keine verfassungsrechtlich bedenk-lichen Transferverluste erwarten lassen. Hier bedarf es regelmäßig keiner weiteren Detailprüfung seitens des Familiengerichts. Dieses Ergebnis lässt sich auf Berechnungen, wie sie etwa die Deutsche Aktuarvereinigung durchgeführt hat, stützen. Für den Vergleich ist diejenige aufnahmebereite Zielversorgung heranzuziehen, die der ausgleichsberechtigten Person prognostisch die höchsten Versorgungsleistungen bietet. Aktuell ist dies die gesetzliche Rentenversicherung.

Im Einzelfall: Prüfung von Transferverlusten mittels Barwertvergleich

Ist dagegen ein höherer Rechnungszins bei der Ausgleichswertermittlung verwendet worden oder ist eine Teilung in die gesetzliche Rentenversicherung wegen eines Altersrentenbezugs der ausgleichsberechtigten Person nicht möglich, ist eine detaillierte Prüfung erforderlich, um verfassungswidrige Transferverluste im Sinne der Entscheidung des BVerfG ausschließen zu können.

Dabei legt der BGH als Prüfungsmaßstab die jeweils erwartbaren Versorgungsleistungen in Quell- und Zielversorgung fest. Bei der Bestimmung der erwartbaren Versorgungsleistungen sind notwendigerweise Prognosen zu erstellen. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung kann hierzu auf den jährlichen Rentenversicherungsbericht für die künftige Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgegriffen werden, bei der Versorgungsausgleichskasse auf die Prognosewerte des Online-Rechners. Beim Vergleich der Versorgungsleistungen müssen jedoch Unterschiede im Leistungsspektrum, beim Rentenzugangsalter sowie der Dynamik im Anwartschafts- und Leistungsstadium berücksichtigt werden. Auch weitere Vorteile der Zielversorgung wie beispielsweise der Zuschuss zur Krankenversicherung bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder eine günstigere Besteuerung sind einzupreisen. Um diese Unterschiede und Vorteile berücksichtigen zu können, ist der versicherungsmathematische Barwert der Leistungen der Zielversorgung zu ermitteln. Um mögliche Transferverluste sichtbar und die Werte vergleichbar zu machen, sind bei dieser Barwertermittlung die Rechnungsgrundlagen der Quellversorgung (Biometrie und Rechnungszins) anzusetzen. Besonderheiten der Zielversorgung können etwa bei der Festlegung der Trendannahmen berücksichtigt werden. Diese Vorgehensweise macht auch die Feststellung der Leistungen der fiktiven internen Teilung entbehrlich.

Ist diese Vorgehensweise im Einzelfall nicht möglich, muss der Versorgungsträger eine Auskunft über die erwartbare Versorgung bei einer internen Teilung unter Berücksichtigung von Teilungskosten in entsprechender Anwendung des § 220 Abs. 4 FamFG erteilen. Anschließend sind dann die Leistungen der fiktiven internen Teilung mit den Leistungen der Zielversorgung auf Barwertbasis zu vergleichen.

Weitere Aspekte der Entscheidung

Nach der Gesetzesänderung vom 11. März 2016, mit der die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften für Altersversorgungsverpflichtungen geändert und der Betrachtungszeitraum für die Berechnung des Durchschnittszinssatzes für die Diskontierung solcher Verpflichtungen von sieben auf zehn Jahre ausgedehnt wurde, hatte der BGH verlangt, dass im Versorgungsausgleich weiterhin der niedrigere Rechnungszins auf Basis des 7-Jahres-Duchschnittszeitraums heranzuziehen sei (vgl. Artikel vom 10.11.2016). Dies führte zu einer Kostenbelastung des Versorgungsträgers, da sich bezogen auf das Ende der Ehezeit die bilanzielle Auflösung der Rückstellung und die aus der externen Teilung resultierende Zahlungsverpflichtung des Versorgungsträgers nicht decken. Diese Rechtsprechung gibt der BGH nun ausdrücklich auf, damit können Ausgleichswerte künftig wieder auf Grundlage des Rechnungszinssatzes für den 10-Jahres-Duchschnittszeitraum ermittelt werden.

Darüber hinaus hat der BGH die bislang ungeklärte Frage, welcher Rechnungszins in der Zeit vor erstmaliger Ermittlung des BilMoG-Zinses anzusetzen ist, dahingehend beantwortet, dass hier auch der steuerliche Rechnungszins verwendet werden kann. Jedoch wird dies dadurch kompensiert werden, dass die Familiengerichte über die einfache Verzinsung des Ausgleichswerts hinaus auch Zinseszinsen berechnen werden.

Fazit

Mit der vom BGH vorgegebenen Vorgehensweise bleibt die externe Teilung – insbesondere im aktuellen Zinsumfeld – von zusätzlichem Aufwand durch aufwändige Vergleichsberechnungen weitestgehend verschont. Die Fälle, bei denen die Ausgleichsberechtigte bereits eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, sind dagegen wohl nicht mehr kostenneutral umsetzbar – hier bleibt aber die Möglichkeit, die interne Teilung zu wählen, und dadurch zusätzliche Kosten zu vermeiden.

Erfreulich ist, dass der BGH seine verfehlte Rechtsprechung zum Ansatz des Rechnungszinses auf Basis des 7-Jahres-Duchschnittszeitraums aufgibt. Durch die Rückkehr zum auch in der Handelsbilanz verwendeten Rechnungszins auf Basis des 10-Jahres-Duchschnittszeitraums kann die externe Teilung wieder ohne zusätzlichen Aufwand erfolgen. Bestehende Teilungsordnungen sollten entsprechend angepasst werden.

Im Hinblick auf die Anordnung von Zinseszinsen bei länger zurückliegendem Ehezeitende, sind die Beschlüsse sorgfältig zu prüfen.



Stuttgart, den 26. Mai 2021

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